A THOUGHT OF ECSTASY (ab 25. Januar im Kino) von RP Kahl ist ein ruhiger, reflexiver Film, dessen Schauwerte darin liegen, betrachten zu können: Die wunderbare, karge, weite und doch so inspirierende Landschaft Süd-Kaliforniens und die Menschen, die in ihnen herum wandern – verloren, auf der Suche nach etwas, das sie nicht wieder erlangen können. Da ist Frank, gespielt von RP Kahl selbst, der mit Torsten Neumann den Film auch geschrieben und produziert hat. Frank erkennt sich in einem Roman selbst. Er ist überzeugt, dass das Buch von Marie (Lena Morris) geschrieben wurde, die ihn 20 Jahre zuvor verlassen hatte. Folgte er nur den beschriebenen Stationen der Geschichte, glaubt er, würde er sie finden. Frank macht sich auf die Reise. Die mysteriöse Literaturagentin Liz Archer (Deborah Kara Unger, „Crash“) verneint, dass die Autorin des Romans Marie sein könnte und doch – Liz weiß etwas, hat ihre eigenen Pläne.
Auf seiner Suche kommt Frank an Stellen vorbei, an denen er mit Marie Sex in den Dünen der Wüsten hatte, er findet Orte, die in dem Roman geschildert sind, wo SM-Fantasien ausgelebt wurden. Vor seinem geistigen Auge erinnert sich Frank sehr genau an den lange zurück liegenden Sex mit Marie und lässt den Zuschauer so daran teilhaben. Und findet er die im Roman beschriebenen Orte, wird der SM-Sex, der dort stattfand, vor ihm lebendig.
All diese Szenen haben etwas von Wehmut und Verlorenheit statt von Lust. Die Traurigkeit der Figuren ist immer spürbar. Was einst erregend, aufregend und erstrebenswert war, ist hier nur noch schal. Die Erinnerungen an eine schönere Zeit tragen dazu bei sich noch schlechter zu fühlen. Die Vorstellungen sexueller Grenzüberschreitungen, die durchaus ihre Reize haben, werden zu einer angsterregenden Realitätsflucht, die nur eines offenbart: die Leere in einem selbst, die man durch libidinöse Stimulation auslöschen möchte, weil man glaubt dadurch Liebe und Leben(ssinn) erlangen zu können. Doch auch wenn Sex Ausdruck von Liebe und Leben ist, so führt Sex an sich nicht dorthin.
A THOUGHT OF ECSTASY ist im Grunde die Geschichte einer Flucht – nicht die einer Suche, auch wenn es so erzählt wird. Die Figuren fliehen vor sich selbst. Es wird weder erklärt warum Marie Frank verließ noch warum er nun so obsessiv nach ihr sucht. Doch es muss schlimm gewesen sein.
Geschichten über Obsessionen, über die dunklen Seiten von Sexualität sind nicht leicht. Man muss sich auf sie einlassen wollen. Es ist leichter die Dunkelheit in einem einzuschließen, über sie zu lachen, sie als irrelevant oder redundant zur Seite zu wischen. Aber diese Geschichten erzählen etwas über tiefe Bedürfnisse – oder Dämonen. Der wahre Mut besteht darin sich auf sie einzulassen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, da sie jeden auf die ein oder andere Art und Weise ansprechen – oder quälen. Bei dem einen verursacht dies Abwehrreaktionen, bei dem anderen ein Innehalten, das dazu führt in sich zu horchen, sich mit den eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen – und den eigenen geheimen Wünschen und dunklen Seiten, die man sich nicht traut auszuleben oder die einen peinigen.
RP Kahls Film ist ein Film, der verlangt, dass man sich auf ihn einlässt, sich mit ihm beschäftigt. Als Belohnung ermöglicht er über den Umweg Film eine Auseinandersetzung mit persönlichen Themen, die man ungern direkt anspricht, weil sie zu intim, zu persönlich sind. A THOUGHT OF ECSTASY hat etwas Trashiges, doch das ist durchaus ein gewolltes Stilmittel und erleichtert den Zugang. Der Film spielt mit Film Noir-Elementen, bezieht sich auf „Zabriskie Point“, schließt sich in seinen Sex-Darstellungen an Kahls eigenem, sehr freizügigen Film „Bedways“ an. A THOUGHT OF ECSTACY ist der gute Espresso, den man unbedingt braucht, um seinen Kopf wieder zu spüren, wenn man zu viel Eiscreme in Form von Blockbustern gefuttert hat.